Nepal, Everest Base Camp - Etappe 13: Gokyo
- Kim
- 28. Nov. 2021
- 4 Min. Lesezeit
Nepal, Everest Base Camp - Etappe 13
von Macheromo nach Gokyo
➙ 8,0km ➚ 451hm ➘ 96m
Es ist wieder eine unruhige Nacht. Meine Nase ist immer noch zu, nicht grade hilfreich in der Höhe. Oft werde ich wach und habe das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Mitten in der Nacht muss ich aufs Klo. Na super, das hat man jetzt von der vielen Trinkerei gegen die Höhenkrankeheit. Ich mache Martin wach und wir gehen gemeinsam. Danach liege ich wieder so lange wach, dass ich nochmal ein Hörbuch dranmachen muss. Durch den kurzen Ausflug ist mir so kalt, dass es wieder ewig dauert mich aufzuwärmen. Die Scheiben sind von innen gefroren.
Morgens fühle ich mich entsprechend unausgeschlafen, aber heute liegt zum Glück nur eine kurze Etappe zum lang ersehnten Gokyo See vor uns. Das schaffen wir jetzt auch noch irgendwie. Je kälter es wird desto länger brauchen wir morgens, da wir uns davor drücken unsere eiskalten, teilweise gefrorenen Klamotten anzuziehen. Momentan sind wir auf 4400 Metern und steigen heute auf 4800 Meter auf. Langsam wird es ernst. Unser Rucksack wird immer leerer, da wir fast alles anhaben und auch unsere Schokoriegel langsam zuneige gehen. Halbzeit unserer Everest Base Camp Tour.

Endlich kommt die Sonne raus, der Himmel ist blau und wir haben die perfekte Sicht. Endlich werden wir für die Strapazen der letzten Tage belohnt. Beim Anblick der gigantischen Berge ist meine Erkältung fast vergessen und wir steigen motiviert auf einen kleinen Aussichtspunkt über Macheromo. Seit Tagen habe ich endlich mal wieder das Bedürfnis meine Kamera garnicht mehr weglegen zu wollen, da mich die Landschaft so beeindruckt.




Wir folgen dem Weg leicht bergab in ein keines Dorf, in dem wir eine kurze Teepause einlegen. Hier bekommen wir die vierte Empfehlung für eine Lodge in Gokyo. Gestärkt geht es denn Hang herum, bis wir endlich den bevor liegenden Anstieg erahnen können. Sieht doch garnicht so schlimm aus. Das sind doch nie im Leben noch dreihundert Höhenmeter?

Und ob. Die Größenverhältnisse täuschen. Es ist total schwer Entfernungen oder Höhen abzuschätzen, da alles so gigantisch ist. Der Aufstieg zieht sich ewig. Die Luft ist mittlerweile unglaublich dünn, sodass wir durchgängig und stark atmen und dennoch nicht das Gefühl haben genug Sauerstoff zu bekommen. Schritt für Schritt bewegen wir uns in Zeitlupe den Hang hinauf. Wir müssen immer wieder kleine Pausen einlegen und ich fühle mich wie bei meiner allerersten Wanderung in Norwegen mit schwerem Rucksack. Mit dem Unterschied, dass ich da null Kondition habe, mittlerweile aber eigentlich relativ fit bin. Schon eine leichte Steigung fühlt sich hier oben an wie ein Steilhang, den man erklimmen muss. Ich erinnere mich noch an die Etappe vor ein paar Tagen im Dschungel, bei dir wir über 1200 Höhenmeter Aufstieg hatten. Etwa jede Stunde, alle 300 Höhenmeter, machten wir eine Pause. Die Zeiten sind längst vorbei. Hier oben brauchen wir mindestens die doppelte Zeit und ein Gesamtaufstieg von über tausend Höhenmetern scheint unmöglich.



Zum Glück wärmt uns die Sonne auf und wir frieren nicht so wie die letzten zwei Tage. Die Aussichten sind so spektakulär, dass ich mich zusammenreißen muss, mich auf den Weg zu konzentrieren. Ich bin so froh, dass die Wege hier relativ einfach sind. Immerhin müssen hier auch die riesigen Yaks hinauf. Ich kann mir grade nicht vorstellen einen technisch anspruchsvolleren Weg zu laufen, da mir vom hohen Puls die ganze Zeit über leicht schwummrig ist. Gegen Mittag haben wir es dann endlich geschafft und werden mit einer grandiosen Aussicht in das gesamte Gokyo Tal belohnt. Unglaublich.


Hier oben finden wir ein riesiges Plateau mit unzähligen Steinmännchen wieder. Immerhin kann es jetzt nicht mehr „steil“ hinauf gehen. Wir fühlen uns wie auf dem Mars. Keine Menschenseele und totale Ruhe. Ich glaube, dass wird man nie mehr so erleben können wie jetzt. Zum ersten Mal habe ich in Nepal das Gefühl in der Wildnis, abseits der Zivilisation zu sein. Wir folgen dem Pfad noch etwa drei Kilometer bis nach Gokyo und sind, obwohl der Weg flach verläuft, trotzdem außer Atem. Im kalten Wind merken wir unsere leichten Kopfschmerzen immer mehr. Endlich erreichen wir den Gokyo See, der in wunderschönem Blau erstrahlt. Die umliegenden Berge sind schneebedeckt und ragen hoch über uns hinaus.





Wir sind überrascht wie groß der Ort hier oben auf fast 4800 Metern Höhe ist und finden nach einigem Suchen die Namaste Lodge etwas weiter oben am Hang. Im Erdgeschoss gibt es sogar ein kleines Medical Center, sodass wir und fühlen, als hätten wir grade einen Speicherpunkt erreicht. Wir wärmen uns im Speisesaal vor dem Ofen auf und bekommen mit, wie schon wieder jemand mit dem Hubschrauber heraus geflogen wird. Auch wir haben jetzt leichte bis schwere Kopfschmerzen und sind etwas beunruhigt. Sollte es morgen nicht besser werden sind wir gezwungen wieder abzusteigen. Es ist wichtig den Körper auf diesen Höhen ernst zu nehmen. Die Haupttodesursache am Everest ist, dass die Menschen sich übernehmen und ihre Symptome überspielen, weil sie schon so weit gekommen sind und nicht umkehren möchten. Nach dem Essen treffen wir auf zwei Ärzte, die freiwillig für zwei Monate hier oben arbeiten und von Dorf zu Dorf wandern. Von ihnen hatte uns schon die verrückte Katzenlady erzählt. Es sind so wenig Menschen unterwegs, dass man sich mittlerweile hier oben kennt. Wer sind wir wohl? Die langsamen Deutschen? ;)

Spaß beiseite. Wir sind beruhigt hier oben medizinisch so gut versorgt zu sein und löchern die zwei Ärzte, die etwa in unserem Alter sind. Unsere Kopfschmerzen sind erst kritisch, sobald sie von anderen Symptomen wie starker Übelkeit begleitet werden. Solange sie sich noch mit Tabletten behandeln lassen uns innerhalb eines Tages verschwinden ist alles in Ordnung. Das beste Mittel gegen die Höhenkrankheit ist bei den ersten Symptomen wieder etwa fünfhundert bis am besten tausend Meter abzusteigen. Dann legen sie sich meist von allein. Steigt man weiter auf, riskiert man sein Leben. Noch vor ein paar Wochen ist ein neunzehnjähriger Inder, der allein hier unterwegs war, an der Höhenkrankheit gestorben. Erschreckend. Da es viele Warnzeichen gibt bevor es ernst wird, muss es ihm unglaublich schlecht ergangen sein.

Meine Atemnot in der Nacht ist wohl normal in diesen Höhen und kein Grund zur Sorge. Auch der erhöhte Puls ist in diesen Höhen normal, da das Herz versucht den Körper mit genügend Sauerstoff zu versorgen, obwohl der Gehalt in der Luft immer geringer ist. Auf Meeresniveau sind es 97-100%, hier nur noch 75-80%. Immer noch unangenehm, aber schonmal beruhigend zu wissen. Ich bin gespannt, wie‘s diese Nacht wohl werden wird.

Commenti