Nepal, Annapurna Circuit - Etappe 4: Jagat
- Kim
- 20. Okt. 2021
- 3 Min. Lesezeit
Nepal, Annapurna Circuit - Etappe 4
von Dharapani nach Jagat
➙ 14,2km ➚ 242hm ➘ 736m
Der gestrige Abend war ein ruhiger Abend. Es gab nicht viel zu sagen. Betroffen starrten wir auf unser Essen, was immerhin wieder köstlich war. Es war klar, dass es hier nicht weitergehen kann. Das Wetter und deren Auswirkungen sind zu unberechenbar. Wie soll ich mich auf einen Erdrutsch verlassen können, der vor wenigen Stunden die ganze Straße zerstört hat? Wie soll ich mich darauf verlassen können, dass mich die losen Steine halten? Wie soll ich mich darauf verlassen können, dass nicht der nächste Erdrutsch kommt währenddessen ich den Hang entlang wandere? Garnicht.
Schon vor Wochen gab es viele Erdrutsche in den höheren Lagen. Wenn hier unten schon komplett neue entstehen, wie sieht es dann weiter oben aus? Sind die Wege dann überhaupt noch passierbar? Was ist mit dem Pass auf über fünftausend Metern? Herrscht Lawinengefahr bei so viel Neuschnee? Es sind nur wenige Wanderer unterwegs und der Schnee wird nahezu unberührt sein. Kommen wir da überhaupt durch? Keine Ahnung.
Was ist mit der Höhenkrankheit? Jeder Mensch kommt anders mit der Höhe klar, viele schaffen den Pass nicht, müssen absteigen und umkehren. Wollen wir das Risiko in Kauf nehmen dann keinen begehbaren Rückweg mehr vorzufinden? Wollen wir uns das echt antun? Das sind keine normalen Bedingungen dieses Jahr.
„Summit ist not success, safety is. Summit is just an added bonus.“
Schweren Herzens entscheiden wir abzusteigen. Wir sind enttäuscht, versuchen aber positiv zu denken. Heute wissen wir immerhin ja schon was vor uns liegt: mehrere Wasserfälle und nasse Füße. Die Strömung ist aber zum Glück etwas geringer, da es die Nacht über kaum geregnet hat. Heute sind wir etwas besser vorbereitet und ziehen uns direkt Regenhose und Regenjacke an. Obwohl wir die Wasserfälle schon kennen ist es trotzdem wieder ein kleines Abenteuer. Der Wind peitscht uns das Wasser ins Gesicht und es ist schwer bei der Strömung das Flussbett zu erkennen.



Unsere Schuhe sind wieder komplett vollgelaufen und wir stapfen mit gefühlt jeweils zwei Kilogramm an den Füßen einige Kilometer bis zur nächsten Hütte. Wir wringen Sohle und Socken aus, aber es schwappt immer noch bei jedem Schritt. Vielleicht bleiben wir morgen einen halben Tag in Jagat, um unsere Sachen zu trocknen.


Da es heute fast nur bergab geht sind wir schnell unterwegs. Theoretisch könnten wir auch den Jeep nehmen, aber die vielen Bergrutsche fallen uns heute mehr denn je auf, auch wenn der Weg noch für Fahrzeuge passierbar ist. Unterwegs drehen wir uns gedanklich immer wieder im Kreis. War es richtig umzukehren? Warum gehen andere weiter und wir nicht? Haben wir überreagiert? Wir wollen nicht so recht akzeptieren unsere Tour abgebrochen zu haben, aber der Klügere gibt ja bekanntlich nach. Den Tag über fliegen einige Hubschrauber über unseren Köpfen.




Schon gegen halb vier kommen wir in Jagat an und suchen uns eine Unterkunft. Da meine Schuhe und Socken sowieso nass sind stelle ich sie komplett unter die Dusche und versuche sie zumindest geruchstechnisch etwas zu retten. Ich bin danach dran. Frisch geduscht kuschle ich mich in meinen Schlafsack. Ich hab auf nichts Lust. Zum Abendessen schaffe ich es dann doch nochmal mich aufzuraffen. Es gibt Momo’s gefüllt mit Gemüse und Kartoffeln. Dazu eine Knoblauchsuppe, die überraschend gut schmeckt. Ein Klassiker gegen die Höhenkrankheit, den wir uns nicht entgehen lassen. Nach dem Essen schauen wir noch ein paar Folgen bei Netflix und schlafen früh ein.


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