Nepal, Annapurna Base Camp - Etappe 2: Jhinu Danda
- Kim
- 27. Okt. 2021
- 4 Min. Lesezeit
Nepal, Annapurna Base Camp - Etappe 2
von Pittam Deurali nach Jhinu Danda
➙ 14,6km ➚ 550hm ➘ 934m
Unsere Nachbarn, eine nepalesische Gruppe, steht schon um fünf Uhr morgens auf. Sie beginnen den Tag mit lautem Gerede, begleitet von Ukulelenmusik. Der Tag fängt also genauso an wie er gestern aufgehört hat. Ich schlafe so fest, dass ich davon nichts mitbekomme. Gegen halb sieben stehen wir auf und haben einen perfekten Blick auf den Annapurna. Die nächsten Tage werden wir zum Base Camp wandern, welches noch hinter dem Gipfel liegt. Sieht ganz schön weit aus!



Wir brechen pünktlich um acht auf und steigen unzählige Stufen den steilen Hang hinab. Da es gestern geregnet hat sind die Steine entsprechend rutschig, sodass wir wie Senioren in Zeitlupe den Hang hinunter kraxeln. Wir bringen es auf eine Höchstgeschwindigkeit von unglaublichen 1,5 km/h.

Nach anderthalb Stunden haben wir es endlich geschafft. Der weitere Weg verläuft über eine Jeeppiste. Es tut gut mal wieder ein paar Meter machen zu können. Es geht immer mal wieder etwas hoch und runter den Hang entlang. Die Aussicht auf das Tal ist fantastisch und manchmal zeigt sich auch der Annapurna kurz. Kein Wunder, dass man Pässe und Gipfel in den Morgenstunden besteigen soll - es zieht sich zuverlässig immer im Laufe des Tages zu, zumindest in den höheren Lagen. Obwohl wir durch den Dschungel wandern ist das Klima deutlich angenehmer als bei unserer letzten Tour. Die Luftfeuchtigkeit ist nicht ganz so hoch, sodass sich das Schwitzen heute zum Glück erstmal in Grenzen hält. Schatten und Sonne wechseln sich ab


In einem kleinen Dorf machen wir eine kurze Teepause und gönnen uns einen Ingwertee für 70 Rupien (umgerechnet 50 Cent). Immer eine schöne Gelegenheit kurz zu verschnaufen und den Wasservorrat wieder aufzufüllen. Es fällt uns immer noch relativ schwer auf die empfohlenen 4-6 Liter Wasser pro Tag zu kommen. Je höher wir aufsteigen, desto wichtiger wird es aber darauf zu achten.

Über die Jeeppiste geht es weiter zu einem kleinen Bachlauf. Leider zu tief, um mit den Wanderschuhen hindurchzulaufen, aber oberhalb führt eine kleine Betonbrücke hinüber. Um wieder auf unseren eigentlichen Weg zu gelangen müssen wir ein kleines Stück den Hang hinunter kraxeln. Es ist so steil, dass ich mich auf den Hintern setzen muss, um nicht hinunter zu rutschen. Ich schürfe mir ein wenig meine Hand auf und bin genervt. Ich setze meine Kopfhörer auf und weiter gehts, hilft ja alles nichts. Wir queren die erste von vielen Hängebrücken für heute. Mittlerweile hab ich mich an die Höhe gewöhnt und bis jetzt haben alle einen sehr sichereren Eindruck gemacht. Alles nur Kopfsache. Wir erreichen Landruk und machen Mittagspause. Ich setze mich in die Sonne, genieße die Wärme und schreibe ein paar Zeilen. Es gibt ein köstliches vegetarisches Curry mit frischem Gemüse und Reis.
Ab jetzt geht es weiter auf einem schmalen Wanderweg. Eine schöne Abwechslung zur breiten Jeeppiste. Der Pfad führt uns immer weiter hinab ins Tal. Dabei queren wir eine weitere Hängebrücke an einem wunderschönen Wasserfall. Definitiv einer der schönsten Wanderwege, die wir je gelaufen sind. Es gibt zwar keine spektakulären Aussichten, aber die Dschungelvegetation und die Wasserfälle machen das definitiv wieder gut.

Wir hören beide ein Hörbuch und laufen entspannt hinunter zum Fluss. Stellenweise ist der Pfad zwar etwas überwachsen, aber dennoch sehr gut zu gehen. Kurz vorm Fluss kommen uns zwei Wanderer entgegen.
„Macht euch auf die sicherste Brücke Nepals gefasst…“
Ironie? Ich gehe mal davon aus. Na klasse. Wir laufen kurz ums Eck und sind schockiert. Eine Konstruktion aus verrosteten Stahlseilen und morschen Bambusstöcken, die unregelmäßig auf dünnen, weit entfernten Zwischensprossen aufliegen. Ironischerweise ist die Brücke überall als „New Bridge“ vermerkt. Ahja, die ist wohl schon ganz schön lange neu. Wir schauen uns die Brücke zum Glück nicht lang an, sondern gehen sofort los. Eine gute Entscheidung, sonst hätte ich’s mir vielleicht doch noch anders überlegt. Unten ist ein dünnes Drahtgitter ausgelegt, was zumindest den Anschein von etwas mehr Sicherheit macht. Dennoch ist es ein Balanceakt auf den Bambusstöcken voranzukommen. Ein Fuß vor den anderen. Zwar runterschauen, aber den Abgrund ausblenden. Ein Fuß vor den anderen. Über dem Fluss lässt sich die Höhe nicht mehr ignorieren. Er rauscht unter uns hindurch, die Brücke wackelt bei jedem Schritt und ich hab Angst, dass sie nachgibt. Ein Fuß vor den anderen. Kurz vorm Ende kommen mir fast die Tränen, weil ich so Höhenangst hab. Bei gut gebauten Brücken ist das nur Kopfsache, aber hier habe ich wirklich Bedenken, dass mich die dünnen Bambusstöcke halten. Geschafft. Ich lasse mich auf die Steinstufen sinken, schlage die Hände vor den Kopf und atme ein paar Minuten ruhig durch.

Schon von weitem hatte ich die Erdrutsche auf der anderen Seite bemerkt und hoffte, dass wir diese umwandern können. Wir folgen dem schmalen Pfad steil den Hang hinauf. Die Höhenangst steckt mir immer noch etwas in den Knochen. Ein Wanderer kommt uns entgegen und berichtet von ein paar Landslides. Na super. Wieso kommen die schwierigen Stellen immer am Ende einer anstrengenden und langen Etappe? Ich möchte einfach nur noch ankommen, also laufen wir konsequent durch und queren die Erdrutsche ohne langes Überlegen. Technisch nicht allzu schwierig, aber ich bin für heute durch.

Kurz vor unserem Etappenziel wartet dann noch das letzte Hindernis auf uns: eine der längsten Hängebrücken Nepals. Fast 300 Meter führt sie über die etwas mehr als 200 Meter hohe Schlucht hinüber zu unserem heutigen Schlafplatz. Keine Holzkonstruktion, sondern dicke Stahlseile, die in großen Betonfundamenten verankert sind. Der Boden ausgelegt mit den uns schon bekannten Stahlsprossen. In Ordnung. In unsere Karte ist ein Alternativweg verzeichnet, aber wir können uns beim besten Willen nicht vorstellen, wo dieser auf der andern Seite hergehen soll. Dann lieber den direkten Weg. Im Vergleich zur letzten Horrorbrücke ist diese hier ein Klacks. Es gibt schöneres, aber ich beiße die Zähne zusammen und trete langsam den 300 Meter langen und luftigen Weg an.


Es geht noch ein kleines Stück den Hang hinauf, bis wir Jhinu Danda erreichen. Wir schauen uns kurz um und kehren in einem kleinen Guesthouse ein. Ich lasse mich aufs Bett sinken, verkrieche mich in meinem Schlafsack und schlafe direkt ein. Nur fürs Abendessen stehe ich nochmal kurz aus. Momo’s und Knoblauchsuppe, dazu Tee. Was ein Tag.

댓글