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Kambodscha, Phnom Penh - Killing Fields, das dunkle Kapitel Kambodschas

  • Autorenbild: Kim
    Kim
  • 7. März 2022
  • 4 Min. Lesezeit

Zurück in der Hauptstadt widmen wir uns noch dem wohl dunkelsten Kapitel Kambodschas. Beim Genozid kamen in den 70er Jahren unter der Herrschaft der roten Khmer über 1,7 Millionen und damit fast ein Viertel der Gesamtbevölkerung Kambodschas ums Leben.


Wir haben lange überlegt, ob wir uns auch so intensiv mit den dunklen Seiten der Geschichte befassen sollen. Bildung oder Sensationslust?


Auf den Busfahrten der letzten Tage haben wir bereits einen Podcast zur Geschichte Kambdoschas gehört und den Film „Killing Fiels - Schreiendes Land“ gesehen. Vieles erinnert mich an den Holocaust, bis auf die Tatsache, dass der Genozid erst knappe fünfzig Jahre her ist. Unvorstellbar. Einerseits bin ich ergriffen und schockiert, andererseits beschämt, dass ich schlichtweg nicht wusste, dass hier noch vor so kurzer Zeit etwas so grauenvolles geschehen ist. Ich denke es geht nicht nur mir so, weshalb wir uns entschlossen haben nicht nur von den positiven Seiten zu berichten, sondern auch diese Erfahrung zu teilen.


Achtung Triggerwarnung! Der nachfolgende Beitrag enthält Darstellungen körperlicher und seelischer Gewalt, Diskriminierung, Verfolgung, Tod und Krieg.

Vormittags besuchen wir das Tuol-Sleng-Genozid-Museum in Phnom Penh. Der Eintritt kostet 5 Dollar. Momentan sind aufgrund der Coronasituation keine Audio Guides verfügbar, aber dafür führt uns Ung Sochivy gegen eine kleine Spende durch das Museum. Sie war neun Jahre als, als die roten Khmer in die Hauptstadt einfielen und die gesamte Hauptstadt räumten. Unter dem gelogenen Vorwand, dass die USA die Stadt bombardieren würden, wurden alle Einwohner aus der Stadt getrieben. Wieso?



Die radikal kommunistischen roten Khmer wollten zurück zur „Stunde Null“ und eine neue, ursprüngliche „Agrargestellschaft“ schaffen. Sie räumten alle größeren Städte, um die Bevölkerung besser unter Kontrolle zu haben. Schon während der Umsiedlungen starben zehntausende von Kambodschanern. Die Überlebenden wurden zur Landarbeit gezwungen. Der Reis sollte verkauft und damit der Neuaufbau des Landes finanziert werden.



Kambodscha schottete sich komplett vom Rest der Welt ab. Die Religionsausübung wurde verboten, Privatbesitz und Geld abgeschafft. Schulen, Betriebe und kulturelle Einrichtungen wurden zerstört, jegliche Individualität, unter anderem mit einheitlichem Haarschnitt und Kleidung, untersagt. Ziel war eine Säuberung der Gesellschaft. Die roten Khmer ermordeten nahezu die gesamte intellektuelle Elite des Landes. Als intellektuell galten zum Beispiel Ärzte und Studenten, aber auch Menschen die lesen konnten oder lediglich eine Brille trugen. Die Bevölkerung wurde rund um die Uhr, oft auch von Kinderspionen, bewacht. Selbst der kleinste Verstoß oder ein Hinterfragen des neuen Systems war Grund genug die Menschen in ein Gefängnis wie dieses zu inhaftieren, sie dort zu foltern und auf brutalste Art und Weise zu ermorden.





Ung Sochivy, unser Guide, führt uns durch die Zelllen des Tuol-Sleng-Genozid-Museum, das damals sogenannte Security Prison 21, kurz S-21. Die ehemalige Schule war das größte Gefangenenlager des Landes. In die ehemaligen Klassenräume wurden zusätzliche Wände eingezogen, um die Inhaftierten qualvoll zu foltern und Informationen über Gegner des Regimes zu erlangen. Ich bekomme Gänsehaut beim Anblick der Eisenbetten, den Fußfesseln und den Rückständen des vielen Bluts auf dem Boden.




Während wir in diesem bedrückenden Verhörraum stehen, erzählt uns Ung Sochivy von ihrer Kindheit und Flucht nach Vietnam. Ein großer Teil ihrer Familie hat es leider nicht mehr rechtzeitig geschafft zu fliehen. Ich bekomme wieder Gänsehaut. Ich hatte nicht erwartet hier auf Betroffene zu treffen. Das macht einem erst richtig bewusst, dass diese schlimmen Taten garnicht so weit zurückliegen. Auch die heutige Generation betreffen sie noch. Im Obergeschoss laufen wir an den kleinen, unmenschlichen Zellen vorbei. Es herrscht absolute Stille, aber ich habe das Gefühl die Menschen hier immer noch schreien zu hören.





Wir betreten einen Raum mit unzähligen Fotografien. Fotografien, die jedes Opfer feinsäuberlich dokumentieren - vor und nach der Folter. Ich weiß nicht, ob ich die Gesichtsausdrücke der Inhaftierten jemals wieder vergessen kann. Wir waren nicht darauf vorbereitet hier so unzensierte und verstörende Bilder zu sehen. Mit der Schule waren wir früher mal in einem Konzentrationslager und ich hatte mir die Atmosphäre natürlich ähnlich bedrückend vorgestellt, aber ich hatte nicht erwartet hier derart brutale Bilder vorzufinden. In einer Glasvitrine sind Totenschädel der Opfer ausgestellt. Mir wird schlecht. Im Lonely Planet ist lediglich davon die Rede, dass ein Besuch nicht für „Zartbesaitete“ empfohlen wird, aber ich denke dieses Erlebnis setzt jedem zu.



1979 befreite die vietnamesische Armee Phnom Penh. Im S-21 gab es lediglich sieben Überlebende, die auf einem großen Poster im Hof abgebildet sind. Ung Sochivy führt uns zu zwei älteren Männern, die am Rand sitzen. Chum Mey und Bob Meng, zwei der sieben Überlebenden. Sie erzählen uns ihre Geschichte und mir läuft eine Träne die Wange herunter. Der Besuch dieses Ortes verdeutlicht einmal mehr die dunkle Seite, die im Menschen schlummert.




Im S-21, sowie den anderen Gefangenenlagern wurden die Menschen vorwiegend festgehalten, gefoltert und verhört. Getötet wurden sie dann auf den sogenannten „Killing Fields“. Eines davon ist das Choeung Ek, etwas außerhalb der Stadt. Beim Transport wurden den Inhaftierten Fesseln angelegt und die Augen verbunden. Unser Guide führt uns durch eines der vielen Massengräber, aus denen noch Kleidungsstücke und stellenweise Knochenfragmente aus dem Boden hinausragen. Mir läuft ein kalter Schauer den Rücken hinunter.



Um Munition zu sparen wurden die Menschen „nicht einfach“ erschossen. Sie wurden vergiftet, ihnen wurde mit scharfen Bambusblättern die Kehle durchgeschnitten oder sie wurden auf brutalste Art und Weise mit Eisenstangen, Äxten oder ähnlichem enthauptet. Zwischen 1975 und 1978 wurden hier etwa 17.000 Menschen getötet. Damit sich die Jüngeren später nicht an den Älteren rächen konnten, wurden ganze Familien ausgerottet. Am sogenannten „Killing Tree“ wurden Kleinkinder zu Tode geschlagen, während ihre Eltern zuschauen mussten. Ich bin einfach nur fassungslos und möchte ich weg. Das ist mir zu viel.



1988 wurde hier eine Gedenkstätte mit mehr als 8000 Totenschädeln errichtet, die nach Alter und Geschlecht sortiert in einer gläsernen Stupa ruhen. Wir legen einige Blumen ab und zünden Räucherstäbchen für die vielen unschuldigen Verstorbenen an.





Am Ende des Tages bin ich immer noch nicht sicher, ob man solche Orte besuchen sollte oder nicht. Ich denke der Unterschied zwischen einem Urlaub und einer Reise ist, dass es nicht nur um Erholung und Spaß, sondern auch um das Eintauchen in fremde Kulturen geht. Es geht darum seinen Horizont zu erweitern und neue Dinge zu lernen, auch wenn das manchmal bedeutet aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen.


Am Ende sollte jeder selbst entscheiden, ob er so tief in die dunklen Seiten der Geschichte eintauchen möchte.


Es scheint selbstverständlich, ist es aber leider nicht: beim Besuch des S-21 oder des Choeung Ek auf angemessene Kleidung achten, sich schon im Vorfeld mit der Thematik auseinandersetzen und sich vor Ort ruhig und respektvoll verhalten! Keine Selfies…

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