Indien, Ranthambhore National Park - Auf Moglis Spuren
- Martin
- 27. Dez. 2021
- 6 Min. Lesezeit
Wir packen unsere Rucksäcke und steigen ins Taxi ein. Auf der kurvenreichen Fahrt nach Ajmer wird uns beiden schlecht. Ich hoffe es liegt am Fahrstil des Fahrers und nicht am Essen. 45 Minuten vor Abfahrt des Zuges sind wir am Bahnhof und nehmen vorsorglich eine Reisetablette gegen die Übelkeit. Da der Zug in Ajmer startet steht er auch schon am Gleis und wir steigen in den Wagon. Heute haben wir ein Abteil in der Second AC Klasse. In diesen Schlafwagen befinden sich immer zwei Liegen übereinander und zwei weitere gegenüber. Kim macht es sich auf der oberen Liege bequem ich zusammen mit unseren Rucksäcken auf der unteren. Das Viererabteil haben wir für die zwei Stunden bis nach Jaipur ganz für uns alleine. Sowieso ist im gesamten Zug nicht viel los. Erst in Jaipur füllt er sich und die Plätze sind nun fast alle belegt.
Kurz hinter Jaipur legen wir mitten im Nirgendwo einen Halt ein und bewegen und für eine Dreiviertel Stunde nicht vor und zurück. Die Homepage der Indian Railway gibt uns Live-Auskünfte über die Zugfahrten. Ich checke unsere immer wieder und mittlerweile sind wir eine Stunde hinten dran. Ich besorgen mir über unser Hotel schon einmal eine Telefonnummer von einen Fahrer, der uns bei Ankunft am Bahnhof abholen soll. Wir erreichen Sawai Madhopur mit genau einer Stunde Verspätung um halb neun am Abend.
Wir finden unseren Fahrer direkt und steigen in sein Tuktuk. Bis zum Hotel ist es länger als gedacht und wir kommen gegen neun Uhr an der Unterkunft an. Die Anlage ist schön beleuchtet und sogar etwas weihnachtlich dekoriert. Die Küche ist zum Glück noch geöffnet und wir bekommen, nach dem wir unser Zimmer bezogen haben, sogar noch etwas zu Essen. Auch ein, zwei Kaltgetränke gönnen wir uns heute nach der doch recht kräftezehrenden Reise. Um kurz nach Elf, als wir gerade ins Bett gehen wollen, kommt ein Angestellter des Hotel an unseren Tisch uns sagt uns, dass die von uns angefragt Safari nicht mehr zum vereinbarten Preis vorhanden wäre und wir jetzt 8000 anstatt 5400 Rupien zahlen müssten. Da der Jeep nicht voll wäre müssten wir für die leeren Sitze mit zahlen. Etwas überrumpelt von dieser Nachricht sage ich ihm, dass wir das so nicht machen wollen und wir es morgen früh mit seinem Chef besprechen möchten. Leider spricht der Kollege nicht das beste Englisch und wir sind uns nicht sicher, ob er das verstanden hat oder ob er jetzt die teure Fahrt bucht.
Da ich etwas aufgebracht bin fällt es mir schwer einzuschlafen. Irgendwann klappt es aber. Mitten in der Nacht werde ich wieder wach und grübel über das Hotel und die Situation nach. Schon bei der Buchung der Safari gab es vorab einigen Tagen Schwierigkeiten und Missverständnisse. Hoffentlich wollen die uns nicht übers Ohr hauen. Am nächsten Morgen rufe ich als aller erstes den Chef des Hotels an. Er sagt mir, dass es momentan im Park sehr viele Anfragen gibt und es schwierig ist einen freien Platz zu bekommen. Komisch nur, dass der Jeep dann nicht ausgebucht ist! Nach ewigem Hin und Her bekommen wir dann eine Tour in einem Canter für den nächsten Morgen zugesagt. Natürlich etwas teurer als gewöhnlich… Ein Canter ist ein Cabrio-Lastwagen mit ca. 20 Sitzplätzen. Normalerweise sind diese etwas günstiger als ein Sitzplatz im Jeep, heute allerdings nicht.
Danach geht es direkt weiter mit der guten Laune. Ich stelle mich unter die Dusche und diese ist dann für genau zehn Sekunden warm. Gut, dass ich mich in der kurzen Zeit nicht einschäumen konnte. Ich schnappe mir ein Handtuch und trockne mich ab. An dem strahlend weißem Handtuch sind große braune Flecken, ich hoffe Erde… Ich bin normalerweise nicht pingelig oder anspruchsvoll, aber wenn es schon von Anfang an nicht richtig läuft, verliere ich irgendwann die Geduld. Erst mal beruhigen. Da wir heute, durch die verschobene Tour, nichts vorhaben und draußen nicht das beste Wetter ist bleiben wir erst mal im Bett. Gegen Mittag meldet sich Ashmir, der Chef der Anlage, bei mir und fragt was wir heute vorhätten. Er schlägt uns vor uns eine Fahrt zum Ranthanbhore Fort zu organisieren. Wir stimmen zu und vereinbaren die Gebühr später mit der Hotelrechnung zu bezahlen.
Beim Mittagessen gibt es dann die nächsten Missverständnisse. Wir bekommen ein anderes Gericht als wir bestellt haben. Da es aber auch ganz gut schmeckt nehmen wir die Situation mit Humor. Überhaupt ist es mit dem Kellner sehr amüsant. Die Verständigung fällt etwas schwer, da wir kein Hindi sprechen und er nur schlechtes Englisch. Wenn wir einen Tee verneinen, bekommen wir kurze Zeit später eine Tasse an den Tisch gebracht, wenn wir kalte Milch bestellen bekommen wir warme, bei Black Coffee bekommen wir Black Tea. Vielleicht sollten wir einfach genau das Gegenteil bestellen ;)
Der hoteleigene Jeep bringt uns nach dem Essen zum Parkeingang. In der Hoteleinfahrt sitzen drei wildgeworden Affen die sich gegenseitig angehen. Einer von ihnen rennt auf den Jeep zu und spring in Parkour-Manier an die Heckklappe direkt neben uns und zurück auf die Straße. Erschrocken schauen wir uns an und müssen lachen. Allerdings ist das auch ein wenig beängstigen, wenn man das Gebiss der Viecher sieht, möchte man sich nicht mit denen anlegen.
Am Eingang des Nationalparks müssen wir in einen anderen Jeep umsteigen und dem Fahrer 500 Rupien für den Hinweg zum Fort bezahlen. Sollten wir das nicht eigentlich später am Hotel bezahlen? Naja, mal abwarten. Wir haben echt kein gutes Gefühl mit unseren Gastgebern. Auf der, dieses Mal überdachten, Ladefläche des Jeeps werden wir die holperige Straße entlang in den Dschungel gefahren. Wir müssen uns mit beiden Händen an der Decke abstützen, damit wir uns nicht unsere Köpfe an den Metallstangen über uns anschlagen. Auf halber Strecke machen wir kurz halt und der Fahrer zeigt uns ein Krokodil, das in der Ferne an einem Seeufer im Gras liegt. Man kann es eigentlich nur erahnen aber ich glaube es zu sehen. Am Fort angekommen werden wir direkt von ein paar Affen, die auf einen Baum sitzen begrüßt. Einer der Bande pinkelt im hohen Bogen in Richtung des Parkplatzes aber verfehlt uns zum Glück um wenige Zentimeter.

Wir betreten das tausend Jahre alte Fort durch ein imposantes Tor und steigen einige Stufen hinauf bis wir in der eigentlichen Festungsanlage ankommen. Oben folgen wir dem Hauptweg zu einem kleinen See. An dessen Ufer steht eine alte, zerfallende Ruine, die sich die Natur zurück erobert hat.


Wir betreten einen angrenzenden Tempel und genießen die Aussicht vom Dach. Wir wissen nicht so richtig welchen Weg man durch dir sehr verwinkelten Anlage nehmen soll, also laufen wir einfach drauf los und folgen dem kleinen Strom an Menschen.
Die Anlage erstreckt sich über insgesamt 4,5 Quadratkilometer, also alles werden wir heute bestimmt nicht sehen. Wir kommen an vielen Tempeln vorbei von denen die meisten ziemliche Ruinen sind und von Bäumen umschlungen werden. Aber das macht den Charme von diesem Ort aus. Wir fühlen uns wie Mogli im Affentempel oder einer der Schatzjäger aus einem Abenteuerfilm.


Auf dem Rückweg kommen wir an einer hohen Mauer vorbei auf der ein Dutzend Affen hockt. Irgendetwas scheint die Burschen aufzuschrecken und die Horde rennt wie von der Hornisse gestochen auf uns zu. Wir versuchen, etwas panisch, irgendwie auszuweichen doch in den schmalen Gang haben wir keine andere Wahl als einfach stehen zu bleiben. Zum Glück scheinen sich die Affen nicht für uns zu interessieren und sie laufen schreiend an uns vorbei.

Interesse wecken wir nur bei den indischen Familien. Da Indien momentan Touristen aus den meisten Ländern nur in Verbindung mit einer zweiwöchigen Quarantäne ins Land lässt, sind wir hier richtige Exoten. Ungefähr drei bis vier mal in einer Stunde werden wir angesprochen ob wir Lust auf ein Selfie haben. Je nach Sympathie stimmen wir zu oder lehnen entschuldigend ab. Ein junger Mann kommt sogar hinter uns her gerannt um ein Foto mit uns zu schießen. Er sagt, dass sich seine Mutter unbedingt mit uns fotografieren lassen möchte. Als wir die kleine, zierliche Frau in ihren bunten Kleidern sehen stimmen wir sofort zu. Sie bedankt sich freundlich und es ist schön wie schnell und einfach man jemandem eine Freude bereiten kann.

Zurück am Eingang der Anlage treffen wir unseren Fahrer der uns in einem Affenzahn zum Parkeingang fährt. Dort rufen wir unser Hotel an und ein Mitarbeiter holt uns nach wenigen Minuten ab. Im Hotel bestellen wir uns ein köstliches Dum Aloo mit Reis und checken das Wetter für die morgige Tour. Na super, Regen und das nicht gerade wenig. Das wird ja ein Spaß für die ganze Familie in einem offenen Fahrzeug. Und Tiger werden wir bei dem Wetter wohl auch nicht zusehen bekommen.
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