Indien, Agra - Durch das Rote Fort des Mogulkaisers
- Kim
- 20. Dez. 2021
- 4 Min. Lesezeit
Heute gehts mit dem Zug weiter nach Agra. Unser Wecker klingelt schon um halb sechs und verschlafen packen wir unser Hab und Gut. Überraschend wie wenig ohne das ganze Wanderequipment davon noch übrig ist. Die Taxifahrt hatten wir uns bereits gestern Abend per Uber gebucht. Kurz vor Abfahrt ruft uns der Fahrer an, wie verstehen aber mit dem indischen Akzent kein Wort. Mit dem Handy am Ohr checken wir, wie immer auf den letzten Drücker, aus und eilen auf die Straße. Just in Time - nur wenige Sekunden später ist unser Taxi da und fährt uns etwa zwanzig Minuten zum Bahnhof.
Unser Zug fährt zwar erst um acht, aber wir sind schon eine Stunde früher vor Ort. Es ist unsere erste Zugfahrt in Indien und wir hatten uns den Bahnhof weitaus chaotischer vorgestellt. Es ist überraschend wenig los ist und wir haben genügend Platz uns in Ruhe zu orientieren. An der Anzeigetafel ist unser Zug inklusive Gleis bereits aufgelistet. Perfekt! Wir suchen uns eine kleine Sitzbank und beobachten die unzähligen Fahrgäste, die aus den ellenlangen Zügen aussteigen. Große Säcke Reis werden hin und her geschleppt und alles wirkt wie aus einer anderen Zeit. Es ist so frisch, dass ich die ganze Zeit Gänsehaut habe. Bei der nächsten morgendlichen Zugfahrt ziehe ich mir auf jeden Fall dickere Sachen an.



Sobald unsere Zugnummer erscheint, werden auch die Wagonwagennummern digital am Gleis angezeigt - na da kann sich die Deutsche Bahn mal ein Beispiel dran nehmen! Unser Zug fährt pünktlich ein und wir finden direkt unsere Sitzplätze. Es werden Tageszeitungen verteilt und wir vertreiben uns die zwei Stunden Fahrt mit den aktuellen Landesnachrichten, sowie etwas Musik. Momentan herrscht wohl eine unübliche Kältewelle in Delhi. Kein Wunder, dass wir am Bahnsteig so gefroren haben.

Schon nach knapp zwei Stunden kommen wir mit dem komfortablen Expresszug in Agra an. Am Bahnhof werden wir wie erwartet direkt von etlichen Taxifahrern belagert, die uns in unser Hotel bringen möchten. Nach den schlechten Erfahrungen in Delhi sind wir vorsichtig und versuchen den Preis vorher fix zu machen. 200 Rupien mit der Autorikscha in die Altstadt - klingt fair. Wir lassen unser Gepäck vom Fahrer auf die Ablage quetschen und düsen los. Wir sind zwar nicht sonderlich schnell, aber dennoch ist unsere erste Fahrt im Tuk Tuk, einer Mischung aus Auto und Roller, ein Erlebnis. Wie in einem Videospiel weichen wir Kühen, Rollern und Passanten in letzter Sekunde aus. Überraschender Weise finden wir direkt Gefallen daran und haben eher Spaß als Angst. Erinnert mich irgendwie an Autoscooter.
Unsere Unterkunft liegt in der dichten Altstadt, die von Polizeiposten kontrolliert wird und in die keine Autos hineindürfen. Durch eine kleine versteckte Gasse bringt uns der Fahrer zu unserem Hotel und begleitet uns sogar bis zur Rezeption. Wir vereinbaren, dass er uns mittags wieder hier abholt, um die Stadt etwas zu erkunden. Unser Geld lehnt er ab und möchte es erst am Ende des Tages. Na hoffentlich klappt das…

Wir folgen dem labyrinthartigen Treppen hinauf zu unserem Zimmer und sind überwältigt. Es liegt direkt an der Dachterrasse mit perfekter Sicht auf das Taj Mahal. Der Ausblick ist atemberaubend. Was für ein Privileg für knapp zehn Euro die Nacht mit zu einer Aussicht hausen zu können. In der wärmenden Sonne holen wir unser Frühstück nach, sind aber so todmüde, dass wir erstmal ein kleines Nickerchen machen bevor wir uns auf in die Stadt machen. Ich mache die Augen zu und höre noch kurz die vielen Menschen, Hupen und kreischenden Affen bevor ich wegdöse.


Als ich wach werde bin ich total verwirrt. In welchem Land und welcher Stadt bin ich nochmal? Obwohl ich nur eine knappe Stunde geschlafen habe fühlt es sich an, als wäre eine ganze Nacht vergangen. Zum Mittagessen bestellen wir uns Paneer Butter Masala. Paneer ist ein milder Käse, der geschmacklich an Tofu oder Mozzarella erinnert und eine gängige Fleischalternative in Indien. Auch hier haben wir uns vorgenommen auf Fleisch zu verzichten. Absolut kein Problem - in Indien leben wohl mehr Vegetarier, als auf der gesamten Welt zusammen.
Nach dem Essen holt uns unser Tuk Tuk Fahrer pünktlich ab und bringt uns zum Roten Fort, einer riesigen Festungsanlage aus der Mogulzeit. Das Ticket ist nur über einen QR-Code online erhältlich. Zum Glück haben wir schon eine indische SIM-Karte, sonst wären wir hier wieder völlig aufgeschmissen. So ganz bekommen wir das mit der Buchung aber trotzdem nicht auf die Reihe, sodass wir uns von einem Guide für ein kleines Trinkgeld helfen lassen.


Nach einem Security Check kann’s losgehen. Heute sind wir mal ohne Guide unterwegs und haben Lust einfach nur ein wenig umher zu spazieren und die vielen Eindrücke in Ruhe auf uns wirken zu lassen. Wir schlendern von Hof zu Hof und sind jedes Mal aufs neue von den wunderschönen Palästen begeistert. Unzählige Verzierungen sind in den roten Sandstein sowie weißen Marmor eingearbeitet.


Das mächtige Fort wurde auf dem Grundriss eines Halbmondes errichtet und misst fast 400.000 Quadratmeter. Der für die Öffentlichkeit zugängliche Bereich macht aber nur etwa zwanzig Prozent aus. Ursprünglich wurde die Festung im 16. Jahrhundert als Militäranlage errichtet, aber unter der Herrschaft von Großmogul Mahal Shah Jahan in eine prächtige Palastanlage verwandelt. Verhängnisvollerweise wurde sie später zu seinem eigenen goldenen Gefängnis als sein Sohn ihn stürzte und dort für den Rest seines Lebens inhaftierte.


Wir sind wieder die einzigen Europäer im gesamten Fort und stechen dementsprechend heraus. Wir werden neugierig und staunend angeschaut und ab und an fragen uns Einheimische, ob sie ein Foto mit uns machen dürfen. Wir spazieren fast zwei Stunden durch die Große Anlage bis wir uns auf den Rückweg machen.





Eigentlich wollten wir direkt ins Hotel um uns den Sonnenuntergang von der Dachterrasse anzuschauen, aber unser Fahrer hat andere Pläne mit uns. Er lässt uns an einer kleinen Marmorfabrik raus und ehe wir uns versehen können, wird uns demonstriert wie, unter anderem für das Taj Mahal, die aufwendigen Marmorverzierungen in mühseliger Handarbeit hergestellt werden. Selbstverständlich möchte man uns in dem Zuge sündhaft teure Marmortischplatten verkaufen. Wir lehnen dankend ab, lassen uns aber zu einem kleinen verzierten Marmorelefanten als Erinnerungsstück überreden.

Zurück an unserem Hotel bezahlen wir anstatt der vereinbarten 500 Rupien für den gesamten Tag 600. Abzocke oder Missverständnis? Man lebt sich so schnell in die Landeswährung ein, dass man das Geld garnicht mehr umrechnet und sich oft nur wegen wenigen Euro, in diesem Fall 1,20€, ärgert.

Wir eilen die engen Treppenstufen zur Dachterrasse hinauf und schaffen es grade noch pünktlich zum Sonnenuntergang. Der Himmel ist in weiche Pastellfarben getaucht und die Sonne leuchtet so dunkelrot, dass man mit bloßem Auge zuschauen kann wie sie über den Dächern der Stadt langsam untergeht.
Comments