Georgien, Tobavarchkhili Lake - Etappe 5: Natakhtish-Dudi Pass
- Kim
- 8. Sept. 2021
- 4 Min. Lesezeit
Georgien - Tobavarchkhili Lake - Etappe 5
vom Tal über den Natakhtish-Dudi Pass nach Zeda Vedi
➙ 16,6km ➚ 796hm ➘ 1240hm
Wir werden schon vor dem Wecker wach, bleiben aber wie gehabt noch etwas liegen, weil wir uns noch nicht überwinden können raus in Kälte zu gehen. Nach einem stärkenden Frühstück packen wir in Ruhe und brechen auf. Das belgische Pärchen ist kurz vor uns los. Über hoch bewachsene Wiesen geht es langsam bergauf. Endlich können wir bei strahlendem Sonnenschein das ganze Tal überblicken.

Schon bald entdecken wir unsere Zeltnachbarn und können erahnen wo uns der Pfad über den siebenhundert Meter höheren Pass führen könnte. Wir steigen über eine Flanke auf gut begehbarerem Serpentinen einige Höhenmeter auf. Es ist eher eine Frage der Kondition als Technik, sodass wir beide unsere Kopfhörer auspacken und zur Abwechslung mal etwas Musik hören. Serpentine für Serpentine geht es hinauf. Alle paar Minuten müssen wir kurz stehen bleiben, um Luft zu holen.

Am Ende der Flanke wendet sich der Pfad nach rechts. Ab jetzt wandern wir ein gutes Stück am Steilhang entlang. Für mich, mit Höhenangst, der blanke Horror. Am Anfang ist der Pfad noch relativ breit, irgendwann ist nur noch Platz für einen Fuß. Konzentration. Einen Fuß vor den anderen. Die Position der Stöcke kontrollieren. Schritt für Schritt. Rechts von uns geht es etliche Meter hinab. Man hat richtig guten Halt und der Weg ist auch nicht sonderlich schwer. Leider alles nur Kopfsache. Die Aussicht muss spektakulär sein. Ich traue mich aber nicht hinzuschauen und konzentriere mich einzig auf meine Füße. Einen vor den anderen. Der Pfad wird schlechter und ist kaum noch zu erkennen. Wir schauen um die Kurve und wissen beide, dass das der Punkt ist, an dem ich nicht weitergehe. Wir gehen wieder ein Stück zurück und steigen steil den Bergrücken hinauf, in der Hoffnung von oben wieder auf den Pfad zu stoßen. Ein Wegweiser. Erleichterung. Wir sind tatsächlich auf dem richtigen Weg, gut dass wir nicht weitergelaufen sind! Ab hier geht es einfacher weiter, der Hang neben uns ist flacher und der Pfad wieder etwas breiter. Aufatmen. Endlich. Nach wenigen Minuten erreichen wir den ersten Pass und machen eine kleine Pause. Wir verschnaufen kurz und machen uns an den letzten, knackigen Aufstieg. Ich glaube viel steiler kann man nicht mehr aufsteigen. Glücklicherweise finden sich aber immer wieder kleine Erdstufen am Hang, sodass man guten Halt hat. Hundert Meter geht steil hinauf, alle paar Meter müssen wir stehen bleiben um Luft zu holen. Nur noch eine kleine Traverse dann erreichen wir den Pass. Beim Blick hinab ins Tal fällt jede Anspannung ab, der Weg sieht super aus. Es ist der erste Pass mit guter Sicht, sodass wir bis zu den höchsten Gipfeln Russlands, sogar Europa schauen können. Geschafft!

Kopfhörer rein und mit neuer Motivation und einigen Endorphinen im Gepäck den Hang hinab. Der steinige, aber bequem zu begehende Weg schlängelt sich in großen Kurven von Hochebene zu Hochebene. Endlich kommen wir mal wieder etwas schneller voran. Nach zweihundert Höhenmetern erreichen wir endlich den Flusslauf und machen Mittagspause.


Wir haben noch einige Abstiegsmeter vor uns und brechen nach etwa einer Stunde wieder auf. Der Pfad führt uns in immer verwucherte Abschnitte und schließlich in den Wald, durch den wir einige Meter auf einfachen Wegen absteigen. Unten angekommen quert ein Fluss unseren Weg. Wir haben keine Lust etwas zu riskieren, setzen den Rucksack ab und ziehen unsere Wasserschuhe an, um auf die andere Seite zu gelangen.

Auf der anderen Flussseite angekommen durchwandern wir dicht bewachsene Heiden und Waldstücke. Teilweise ist es so matschig, dass man aufpassen muss nicht einzusinken. Nach einigen Kilometern wartet schon das nächste Hindernis auf uns - eine etwa vier Meter tiefe ausgewaschene Rinne durch die wir hindurch klettern müssen. Anstrengend, aber machbar.


Wir queren noch zwei weitere Male den Fluss bis wir eine kleine Schäferhütte erreichen, an der wir schon von weitem vom Hausherrn und dem belgischen Pärchen begrüßt werden. Gamarjoba! Wir fühlen uns richtig willkommen, die Hunde bellen nicht, der Hausherr öffnet uns das Tor und wir treten ein. Es riecht nach Kachelofen. Wie erwartet spricht er nur georgisch oder russisch, sodass wir uns ihm mit Händen und Füßen versuchen zu erklären, dass wir noch eine Stunde laufen, uns einen Schlafplatz im Wald suchen und morgen erst Khaishi erreichen. Er holt einen großen Wecker aus der Hütte und deutet auf unsere Armbanduhren, um die Zeit abzugleichen. Die Freude steht ihm ins Gesicht geschrieben, dass seine Zeit noch aktuell ist. Er bietet uns ein Pferd für das Gepäck, einen Übernachtungsplatz auf seinem Hof und Zigaretten an. Wir fühlen uns total willkommen, lehnen aber dankend ab, um unser Etappenziel heute noch zu erreichen und morgen früh das Dorf zu erreichen. Beim Blick zurück auf den Hof schnappe ich mir noch schnell die Kamera. Freudig läuft der Schäfer auf uns zu und wir machen noch ein Abschiedsselfie. Madloba!

Nur wenige Schritte weiter tritt seine Frau mit zwei Schweinen aus dem Wohnhaus hinaus und bietet uns von weitem etwas zu trinken an. Wir lehnen dankend ab, aber sie gibt nicht auf. Das ist wohl die georgische Gastfreundschaft! Ein kleiner Welpe begleitet uns bis zum Fluss. Unsere Wanderstöcke haben es ihm angetan, an welchen er pausenlos hinaufspringt. Etwas wehmütig schauen wir zurück und laufen wieder in den Wald hinein.

Die letzten Kilometer laufen wie geschmiert über breite Waldwege. Endlich mal einem paar Meter machen. Nach einer Stunde finden wir wie erhofft einen geeigneten Platz im Wald, etwas abseits der Wege.

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